Chronist der Bruchzonen

Lukas Brenner

HACKFLEISCH präsentiert: Der Mann, der Deutschland beim Zerfall zusieht – und dabei keine Träne vergießt!

 

STECKBRIEF EINES GRENZGÄNGERS

Hervorgekrochen: 1975 in Karl-Marx-Stadt, zwischen Plattenbau und Planwirtschaft

Fluchtwege: Drei abgebrochene Studiengänge, zwei gescheiterte Ehen, unzählige Gelegenheitsjobs

Pathologische Merkmale: Chronische Unfähigkeit zur Anpassung, zwanghafte Beobachtungsgabe, Allergie gegen den Literaturbetrieb

Literarische Virenstämme: Wolfgang Herrndorf, Clemens Meyer, Lutz Seiler, Thomas Glavinic

Natürlicher Lebensraum: Wechselnde Einzimmerwohnungen zwischen Leipzig und Berlin

Corpus Delicti: "Bluthunde bellen nicht", "Kaltland", "Betonradierer", "Drecksspiel"

Aktuelles Projekt: "Endlager" – auf einem Recyclinghof häufen sich die Toten

 

WARNUNG: DIESES TIER BEISST!

Lukas Brenner sieht aus wie jemand, den man in Literaturhäusern nicht reinlassen würde. Der 50-Jährige trägt den Gesichtsausdruck eines Mannes, der zu oft zugesehen hat, wie Versprechungen platzen und Systeme kollabieren. Seine Hände – Arbeiterhände mit Tintenflecken – verraten mehr über ihn als jede Biografie: Er ist jemand, der körperlich schuften mußte und trotzdem Zeit zum Schreiben fand.

HACKFLEISCH ist verdammt stolz, diesen Störenfried in unseren Reihen zu haben. Nicht, weil er "literarisch wertvoll" schreibt – solchen Scheiß sagen Feuilleton-Wichser über brave Romanciers. Sondern weil Brenner einer der wenigen ist, die noch wissen, wo Deutschland seine Leichen vergräbt. Und er ist bereit, sie auszubuddeln und vor eure Füße zu werfen.

Geboren wurde er 1975 in einer Stadt, die nach einem bärtigen Theoretiker benannt war. Sein Vater – ein funktionaler Alkoholiker – verschwand 1989 gen Westen. Die Mutter hielt durch, lebte von Gelegenheitsjobs und der Hoffnung, daß das neue System besser werden würde. Wurde es nicht. Brenner wuchs auf zwischen dem Schuttfeld einer untergegangenen Ideologie und den leeren Versprechungen einer neuen.

Mit vierzehn erlebte er die Wende. Das perfekte Alter, um zu begreifen, daß alles Lüge war – aber auch jung genug, um nicht zu wissen, was man stattdessen glauben sollte. Diese biografische Fraktur macht ihn zum idealen Chronisten eines Landes, das bis heute nicht weiß, was es ist.

 

DER EWIGE BEOBACHTER

Was Brenner von anderen Autoren seiner Generation unterscheidet, ist seine obsessive Beobachtungsgabe. Freunde beschreiben ihn als jemanden, der in Gesprächen oft plötzlich verstummt und anfängt, Details aufzusaugen – die Art, wie jemand sein Bierglas hält, der Rhythmus einer Straßenbahn, das Flackern einer Leuchtreklame. "Lukas ist nie ganz anwesend," sagte ein ehemaliger Kollege. "Ein Teil von ihm sitzt immer am Schreibtisch und macht Notizen."

Diese Beobachtungsgabe speist sich aus seiner Zeit als Nachtwächter in leerstehenden Plattenbauten – jenen Zwischenräumen, wo die DDR noch sichtbar war, aber schon verrottete. Dort entwickelte er sein Gespür für das "Dazwischen": Orte und Zeiten, die weder das eine noch das andere sind. Autobahnen. Grenzzonen. Übergangsphasen. In diesen Nicht-Orten findet Brenner seine Geschichten.

Seine Wohnung – wo immer sie gerade ist – gleicht einem Archiv des Verfalls. Zeitungsausschnitte über Firmenschließungen. Fotos von abgerissenen Gebäuden. Gesammelte Kassenbons aus Supermärkten, die längst pleite sind. "Ich dokumentiere das Verschwinden," erklärte er einmal. "Deutschland läuft Amok beim Vergessen. Jemand muß Protokoll führen."

 

VOM ARBEITER ZUM SCHREIBER

Nach turbulenter Schulzeit und abgebrochenem Zivildienst begann Brenners Odyssee durch die Arbeitswelt der Wiedervereinigung. Was andere als gescheiterte Karriere bezeichnen würden, war für ihn eine umfassende Feldstudie deutscher Zustände.

Als Fernfahrer lernte er Deutschland als Netz von Autobahnen und Raststätten kennen – ein Land ohne Zentrum, nur Transit. Die LKW-Fahrer, mit denen er fuhr, waren Chronisten auf ihre Art: Männer, die das Land kreuz und quer durchmaßen und dabei zusahen, wie Fabriken schlossen und Dörfer ausbluteten.

Es folgten sechs Monate, in denen er als Abrißarbeiter systematisch DDR-Architektur in Schutt verwandelte. Plattenbauten, Kulturhäuser, Pionierpaläste. "Ich habe buchstäblich meine Kindheit mit dem Vorschlaghammer zerlegt," sagt er. Diese Erfahrung - das physische Auslöschen einer untergegangenen Welt - wurde zur Metapher für seine gesamte Generation.

Seine Zeit als Journalist bei einer Regionalzeitung endete mit einem Knall. Nicht nur wegen des titulierten Bürgermeisters, sondern weil Brenner begriffen hatte: Der Journalismus war Teil des Problems. "Sie wollen keine Wahrheit, sie wollen Bestätigung," sagte er später. "Drei Absätze optimistische Scheiße, damit die Anzeigenkunden nicht abspringen."

Am Tiefsten sank er als Texter für eine Marketingagentur. Dort lernte er die Kunst, "mit Sprache alles und nichts zu sagen." Diese Phase haßt er am meisten – nicht wegen der Arbeit selbst, sondern weil er gut darin war. "Ich habe gelernt, wie man Lügen poliert, bis sie wie Wahrheiten glänzen. Das war meine persönliche Hölle."

 

DURCHBRUCH MIT BLUT UND BETON

2010 erschien "Bluthunde bellen nicht" bei einem Schundverlag, der sonst Provinzkrimis produzierte. Das Cover war Trash pur: blutiger Schäferhund vor Fernsehturm-Silhouette. Aber der Inhalt war anders – eine schonungslose Abrechnung mit dem Wendechaos der 90er, geschrieben in einer Sprache, die zwischen Bukowski-Härte und Kafka-Alptraum changierte.

Die Literaturkritik ignorierte das Buch weitgehend. Aber in Ostdeutschland fand es seine Leser – Menschen, die ihre eigene Geschichte endlich ungeschönt erzählt sahen. Ein Rezensent einer Regionalzeitung schrieb: "Brenner schreibt wie jemand, der beim Autounfall nicht wegguckt, sondern näher tritt, um die Verletzungen zu dokumentieren."

"Kaltland" (2012) baute auf diesem Erfolg auf. Diesmal wagte sich ein größerer Verlag heran – wenn auch mit der Auflage, das Cover "zugänglicher" zu gestalten. Brenner willigte ein, bestand aber darauf, daß kein Wort im Text geändert wurde. Das Buch wurde zu einem kleinen Kultklassiker unter Lesern, die deutsche Nachwendeliteratur suchten, die nicht nach Ostalgie oder Westalgie roch.

Mit "Betonradierer" (2015) erreichte Brenner erstmals ein breiteres Publikum. Das Buch folgt einem Abrißtrupp durch die letzten DDR-Wohnblocks einer sächsischen Kleinstadt - Männer, die für Billiglohn das Verschwinden ihrer eigenen Geschichte organisieren. Ein Kritiker nannte es "Thomas Bernhards Haßtiraden trifft auf deutsches Bauarbeiter-Milieu - eine Symphonie der Zerstörung mit präzisem Takt."

"Drecksspiel" (2018), sein bisher komplexestes Werk, verwebt Noir-Thriller-Elemente mit gesellschaftskritischen Beobachtungen über die Gentrifizierung ostdeutscher Städte. Das Buch wurde für einen Preis nominiert – den Brenner demonstrativ ablehnte. "Ich will keine Anerkennung von Leuten, die meine Bücher nie lesen würden, wenn sie nicht für Preise nominiert wären."

 

DER STIL EINES ZERSPLITTERTEN LANDES

Brenners Schreibstil ist so unverwechselbar wie seine Biografie. Er vereint die lakonische Wucht eines Wolfgang Herrndorf mit der rohen, ungeschönten Direktheit eines Clemens Meyer. Wie Herrndorf meistert er die Kunst der prägnanten Sätze mit tiefschwarzen Humoreinsprengseln, während er von Meyer die kompromißlose Darstellung ostdeutscher Lebenswelten übernommen hat.

Von Lutz Seiler hat Brenner die Fähigkeit geerbt, dem Verfall eine fast surreale Qualität zu verleihen. Seine Beschreibungen verlassener Industriekomplexe lesen sich wie Nekrologe für eine Epoche, die nie wirklich gelebt hat.

Gleichzeitig weist sein Werk Parallelen zu Thomas Glavinics dystopischen Szenarien auf – besonders in der Darstellung isolierter Protagonisten in einer zunehmend befremdlichen Welt. Diese Kombination aus sozialer Beobachtung und spekulativen Elementen verleiht seinen Texten eine unheimliche Zeitlosigkeit.

 

PRIVATMANN OHNE PRIVATLEBEN

Über sein Privatleben spricht Brenner selten. Bekannt ist: Zweimal verheiratet, zweimal geschieden. Die erste Ehe scheiterte an seiner Unfähigkeit, "normal" zu sein. Die zweite daran, daß seine Frau den Autor liebte, aber den Menschen dahinter nicht ertrug.

Sein Freundeskreis ist klein, aber konstant. Die meisten sind selbst Grenzgänger: ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter, der heute Lyrik schreibt; ein Altpunker, der Versicherungen verkauft; eine Bibliothekarin mit Doppelleben. "Menschen, die ihre eigenen Widersprüche kennen, sind die ehrlichsten," sagt Brenner.

Seine Arbeitsweise ist zwanghaft und chaotisch zugleich. Er schreibt in Schüben – manchmal tagelang ohne Unterbrechung, dann wochenlang gar nicht. Er haßt Schreibtische, arbeitet lieber an Küchentischen oder in Cafés, wo er stundenlang dasitzen kann, ohne daß ihn jemand stört. Seine Notizen macht er in billige Schulhefte – "Moleskine-Fetischismus ist was für Leute, die mehr über Schreiben reden als schreiben."

Alkohol spielt eine ambivalente Rolle in seinem Leben. Nicht als Schreibstoff – "betrunken kann ich keine Zeile produzieren" –, sondern als Abschaltmechanismus. "Nach einem Schreibtag brauche ich etwas, das die Stimmen leiser macht. Bier funktioniert. Meistens."

 

UNSER MANN FÜR DIE DRECKIGEN WAHRHEITEN

Für HACKFLEISCH ist Brenner wie ein Seismograph für gesellschaftliche Verwerfungen – er spürt die Beben, bevor die Instrumente der Soziologen ausschlagen. Seine Texte bewegen sich genau auf jener blutigen Grenze zwischen Beobachtung und Anklage, zwischen Chronik und Dystopie.

"Brenner schreibt wie jemand, der weiß, daß die Party vorbei ist, aber noch bleibt, um beim Aufräumen zu helfen," sagt HACKFLEISCH-Chef Karl Nagel. "Seine Texte haben die Konsistenz von gefrorenem Beton – hart, kalt und verdammt real."

In der deutschen Literaturlandschaft existiert Brenner wie ein Fremdkörper – zu ostdeutsch für den westdeutschen Literaturbetrieb, zu literarisch für den reinen Pulp, zu kompromißlos für den Mainstream. Für die etablierten Literaturpreise ist er unsichtbar, für eine wachsende Leserschaft unverzichtbar.

Seine Haltung zum Literaturbetrieb ist eindeutig: "Sie produzieren Texte wie IKEA-Möbel – Massenware aus vorgefertigten Teilen, die nach dem dritten Umzug auseinanderfällt. Ich baue meine Geschichten wie Bunker – häßlich, aber sie halten."

Warum also Brenner lesen? Weil er einer der wenigen ist, die noch hinschauen, wo andere wegblicken. Weil seine Texte nicht trösten, sondern aufrütteln. Weil er Deutschland beim Zerfall zusieht – und dabei keine Träne vergießt, sondern protokolliert.

"Ich schreibe nicht, um zu gefallen. Ich schreibe, um zu bezeugen," sagt er. "Mein einziges Versprechen: Es wird nicht schön, aber ehrlich."

HACKFLEISCH hat diesen Mann nicht "entdeckt" – wir haben ihm eine Plattform gegeben, auf der er tun kann, was er am besten kann: Die unerzählten Geschichten erzählen. Die vom Rand. Die aus dem Dazwischen. Die, die sonst niemand hören will.

Lest, was Lukas Brenner über sich selbst schreibt!

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